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Ein Leben im Schatten

Atras

Pöbel
Bestrafung


Vor acht Jahren...

Es war ein sonniger Tag in der Hauptstadt des Landes. Eine Dame von hohem Stand schlenderte mit ihrem Gatten und einer Dienerin durch das Hafenviertel.
Es war Markttag. Sie begutachtete den tagesfrischen Fang, den die Fischer an ihren Ständen feilboten und schwatze vergnügt mit verschiedenen Leuten, die sie traf.

Plötzlich stand ein kleiner Junge vor ihr und reichte ihr ein kostbar besticktes Taschentuch entgegen.

„Ihr habt da etwas verloren“, sagte der Junge mit schüchterner Stimme.

„Oh, mein Taschentuch. Vielen Dank junger Mann.“ Die Dame nahm ihm das Taschentuch aus der Hand und musterte mit einem Lächeln den kleinen Jungen.
Er mochte vielleicht zwölf Jahre alt sein und hatte lange braune Haare, die etwas verfilzt waren. Seine Kleidung war an vielen Stellen geflickt oder hatte Löcher, außerdem sah sie sehr ungepflegt aus – offenbar handelte es sich um einen Strassenjungen.

„Ach Schatz sieht nur, ist das nicht ein netter Junge?“ Die adelige Dame blickte ihren Gatten an, der bei dem Anblick des heruntergekommenen Jungen nur die Nase rümpfte. Er gehörte nicht zu dem Kreis der Menschen, mit dem er sich normalerweise abgab, geschweige denn, überhaupt etwas zu tun haben wollte.

Die Dame erwiderte die Geste ihres Mannes mit einem vorwurfsvollen Seufzen und zog ihre kleine Handtasche hervor, um den armen Jungen eine Münze für seine Aufmerksamkeit zu geben.
Aber...da war kein Gold mehr...


Etwa eine viertel Stunde später saßen in der Kanalisation der Stadt zwei kleine Jungs über einen Beutel voll Gold gebeugt und rieben sich vor Freude die Hände.
Sie saßen auf einer morschen Kiste, die wer weiß wer vor Jahren hier entsorgt haben muss und zählten die erbeuteten Münzen im Schein einer unruhig flackernden Fackel.
Neben dem kleinen Jungen mit dem braunen Haar saß dessen Freund. Dieser war etwas größer als er, ein wenig stämmig und hatte blonde, zerzauste Haare.

Der stämmige Junge hielt die Beute des Tages in seinen Händen und lächelte breit.
„Hey...weißt du was? Wir werden einen Teil des Goldes gleich jetzt ausgeben. Der alte Geizhals wird uns wieder nichts abgeben, das wette ich.“

„Bist du bescheuert? Du weißt was uns droht, wenn er das mitbekommt?“ Der kleine Junge war sichtlich wenig begeistert von der Idee seines Freundes.

„Ach komm, sei nicht so ein Langweiler...“, schimpfte der stämmige Junge und ließ das Gold aus seiner Hand in den Beutel klimpern. „Er wird das nie herausbekommen!“

Plötzlich wuchs vor ihnen ein langsam größer werdender Schatten auf dem Boden. Sie fuhren beide erschrocken herum.

„Ach...ich das so?“ Die böse Grimasse, die ihnen entgegen grinste, war ihnen wohl bekannt.

„Meister...Meister...ich“, stammelte der stämmige Junge. „Ich habe nur einen Scherz gemacht.“

„Das hörte sich in meinen Ohren aber überhaupt nicht danach an“, erwiderte der große Mann, der sich ihnen so vollkommen lautlos genähert hatte. Er packte den stämmigen Jungen beim Arm und riss ihn von der Kiste, wobei der Junge ins Straucheln kam und auf den Boden knallte.
„Bitte...Meister...es war nur Spaß...“, winselte der Junge.

Der Mann antwortete nur mit einem hämischen Grinsen und blickte den anderen Jungen an.
„Es wird mal wieder Zeit für ein Exempel oder meinst du nicht?“

„Meister...er meinte es doch nicht so...“, flüsterte der kleine Junge entschuldigend und blickte dabei seinen Freund an, der verängstigt zitternd im eisernen Griff des großen Mannes neben ihm stand.

Er blickte den großen Mann an, den sie und die anderen Kinder immer nur mit Meister ansprachen. Seinen genauen Namen wusste niemand von Ihnen. Er war vielleicht um die dreißig Jahre alt - schwer zu schätzen für ein Kind, dass gerade mal zwölf Jahre alt war -, hatte krause lange, schwarze Haare und ein dunkles vernarbtes Gesicht. Woher diese Narben stammten wusste niemand. Manche der Kinder behaupteten, dass er sich die Narben im Kampf mit einem mächtigen Magier zugezogen habe, andere wiederum sagten, dass er auf der Flucht vor dem Gesetz in eine Falle geraten war, man ihn aus Angst aus seinem Versteck ausräuchern wollte und er dabei nur mit knapper Not entkommen konnte. Und das waren nicht die einzigen Geschichten, die man sich über ihn erzählte.
Welche auch immer davon stimmen mochte, sie erzeugten vor allem Angst bei den Kindern.

Der Mann zerrte den stämmigen Jungen mit sich und nickte dem kleinen Jungen zu, damit dieser ihnen folgte.

Nach einer halben Stunde kletterten sie an einer verborgenen Stelle in einer kleinen Gasse aus der Kanalisation und bogen in eine Seitengasse ein. Dort betraten sie ein altes, verlassen aussehendes Gebäude.
Es war aber keineswegs verlassen. Der Meister stieg mit den beiden Kindern in den Keller des Hauses hinab, streckte seine Hand nach einem Fackelhalter zu seiner rechten aus, zog mit einem kräftigen Ruck daran und vor ihnen tat sich ein verborgener Gang auf.
Das Versteck des Meisters erstreckte sich über ein riesiges Areal. Hier bildete er sie aus: Strassenjungen, die keiner vermisste. Sie wurden zu Dieben, Attentätern, Spionen. In wessen Dienst sie später traten und ob sie jemals frei wurden, niemand von den Kindern wusste es.
Hier, in dem Versteck unter der Stadt, lebten sie in Angst und Schrecken vor dem, den sie nur Meister nannten.
Das Gold, der Schmuck und was sie sonst alles für ihn erbeuteten, wurde in einer großen Schatzkammer gelagert.

Der Meister öffnete die Tür zu einer kleinen Kammer und schleuderte den stämmigen Jungen zu Boden. Der junge verkroch sich wie ein geprügelter Hund in eine Ecke und zog weinend die Beine an seinen Körper. Der kleine, braunhaarige Junge blieb neben der Tür stehen als der Meister diese zuknallte.
„Ihr bleibt hier drinnen, bis ich wiederkomme“, hörten sie ihn von der anderen Seite sagen.

„Ich...ich habe Angst, schluchzte der stämmige Junge. Du weißt, was er mit den anderen gemacht hat, die ihm etwas stehlen wollten.“
Der kleine Junge nickte nur ängstlich.

Eine Stunde später kam der Meister zurück. Er führte die beiden in eine große Halle.
In der Mitte des Raumes stand ein großer, mit einem Deckel verschlossener Korb.
Der Meister wies den stämmigen Jungen an, sich vor den Korb zu stellen. Den kleinen jungen befahl er, sich zu den anderen Kindern zu setzen, die rings um sie herum an den Wänden saßen.

Der stämmige Junge wurde kreidebleich und fiel vor dem Meister vor die Knie.
„Bitte Meister...ich wollte nicht....“

„Ruhe!“ Der Meister hob seine rechte Hand und blickte auf das winselnde Kind zu seinen Füssen.
Er sprach zu den anderen Kindern, drehte sich einmal langsam um die eigene Achse, während er mit bedrohlicher Stimme erklärte.
„Jetzt werdet ihr sehen, was euch droht, wenn ihr euch an meinem Hab und Gut vergreift!“
Der kleine braunhaarige Junge saß zwischen zwei anderen Kindern und presste die Lippen zusammen. Tränen liefen seine Wangen hinab. Er wusste, wovon der Meister sprach – sie alle wussten es.

Der Meister hob den Deckel des Korbes an, der vor dem stämmigen Jungen stand.
Er nickte dem Jungen zu. „Nun los, greife hinein...“

Der stämmige Junge zögerte und begann stattdessen bitterlich zu weinen.

Der Meister warf den Deckel beiseite und packte den Jungen am Hemdkragen.
„Los...greife jetzt in den Korb hinein...!“

Der Junge schob vor Angst zitternd seine Hand in den Korb. Der Meister lächelte böse.
Plötzlich hörten alle ein lautes Zischen und der stämmige Junge zog mit einem Schmerzensschrei seine Hand aus dem Korb.
Er betrachtete seinen Handrücken, wo zwei kleine blutige Punkte zu sehen waren.

„So mein kleiner verräterischer Freund. Wenn du Glück hast und die harmlose der beiden Schlangen erwischt hast, wird dir heute Abend nur sehr schlecht sein.
Wenn aber nicht...nun...dann werden dich morgen deine Freunde in der Kanalisation begraben.“
 

Atras

Pöbel
Flucht


Der kleine braunhaarige Junge saß mit dem Rücken an die Wand gelehnt neben der Tür zu seiner Kammer und kaute nervös auf einem Strohhalm herum, der in seinem Mundwinkel steckte.
In seiner rechten Hand hielt er ein kleines spitzes Messer, in seiner anderen Hand ein Fläschchen mit einem milchig weißem Inhalt.
Er glaubte selber kaum, dass er es geschafft hatte, die Flasche seinem Meister zu entwenden.
Ein zaghaftes Lächeln umspielte seine Lippen. Der Plan war kühn, aber durchführbar. Er durfte sich aber keinen Fehler erlauben, sonst wäre es sein Ende.

Die letzten Monate waren fürchterlich gewesen. Es hatte für seine Diebeszüge einen älteren Jungen zugeteilt bekommen, der ihm schon immer unsympathisch gewesen war.
Der Bursche war ein typischer Speichellecker, der nichts anderes im Sinn hatte, als dem Meister zu gefallen und jede Gelegenheit nutze, ihm die Fehler anderer zuzustecken.
Der kleine Junge schluckte trocken und blickte auf den Burschen, wie er dort lag und friedlich in dem Bett schlief, wo einst sein bester Freund geschlafen hatte.
Er spuckte verächtlich den Strohhalm zur Seite aus.

Dann stemmte er sich an der Wand hoch und verließ verstohlen ihre Kammer.
Langsam, Schritt für Schritt schlich er an die Wand gedrückt durch die spärlich beleuchteten Gänge des riesigen Versteckes, schlüpfte bei jedem noch so kleinen Geräusch in den Schatten und drückte sich an die kalte Wand.
Der kleine Junge hatte alles häufig genug geübt, er wusste, dass er sich auf seine Fähigkeiten verlassen konnte. Er schlüpfte in eine kleine Speisekammer und schloss lautlos die Tür.
Seine Hand glitt in seine Hosentasche, in der sich das kleine Fläschchen befand.
Er öffnete es und sofort erfüllte ein stechend beißender Geruch die Luft.
Anschließend zog er das kleine Messer hervor und ließ etwas von der stark riechenden Flüssigkeit auf die Klinge tropfen.
„Bloß nicht anfassen“, dachte er bei sich.
Er legte die Klinge und das Fläschchen behutsam beiseite und riss ein Stück seines Hemdärmels ab.
Anschließend nahm er die Klinge wieder auf und verrieb die zähflüssige Substanz auf der Klinge.

Nun war er bereit.

Lautlos schlich er aus der Speisekammer und hüpfte von Schatten zu Schatten, bis er sich dem Ausgang des Versteckes näherte.
Dort stand das eigentliche Problem: ein riesiger Kerl, der als Wache in dieser Nacht eingeteilt war und ihm nun den Ausgang versperrte.

Der kleine Junge sprang aus dem Schatten hervor, hastete so leise er konnte auf den Wachposten zu, holte mit seinem Arm aus und schnitt dem riesigen Kerl mit seinem präparierten Messer in das Bein.
Nur ganz wenig – mehr brauchte es nicht.

Der große Kerl war so überrascht von der Aktion des kleinen Jungen, dass er im ersten Moment nicht reagierte und nur das Kind verblüfft anstarrte, das zu seinen Füßen stand und abwartend zu ihm herauf blickte.
Diese kurze Verzögerung reichte dem Gift. Der Mann konnte sich noch an den Hals fassen, was aber außer einem lauten Röcheln das letzte war, was er tat, bevor er sein Leben aushauchte.
Der kleine Junge stand für einen kurzen Moment wie paralysiert da und betrachtete den riesigen Kerl, wie er langsam vor ihm an der Wand entlang rutschte und zu Boden sackte.
Er hatte schon andere Menschen sterben sehen – vor allem andere Kinder, die die Strafe seines Meisters zu spüren bekommen hatten.

Aber jemanden selbst zu töten...

Er holte tief Luft, näherte sich zögernd dem Körper des leblosen Wachpostens und machte sich an dessen Gürtel zu schaffen.
Wenige Sekunden später hielt er das Ziel seiner ganzen Mühen vor Augen – ein großes Schlüsselbund mit dem Schlüssel zum Ausgang!
Er hatte Glück, der zweite Schlüssel, den er ausprobierte passte.
Der kleine Junge öffnete leise die Tür nach draußen, hastete in den dunklen Keller des alten Gemäuers und stürmte die Treppe in das Erdgeschoss hinauf.
Er spürte sein Herz rasen als er sich in dem finsteren mühte, den Ausgang zu finden.
Da die Fenster des alten Hauses mit Brettern zugenagelt waren, kam nur sehr wenig Licht hinein.
Er schlich in die Richtung, wo er den Ausgang vermutete, tastete sich an der Wand entlang und atmete erleichtert auf, als er endlich das kalte Metall des Türgriffes in seinen Fingern spürte.
Er zog den großen Schlüsselbund des Wachpostens hervor und probierte einen Schlüssel nach dem anderen durch.
Hätte er doch bloß eine Fackel mitgenommen. Sein Atem wurde schneller. Einerseits konnte er kaum etwas sehen und egal welchen Schlüssel er nahm, keiner wollte passen.
Seine Finger begannen zu zittern und er bildete sich ein, von unten Rufe zu vernehmen.

Dann plötzlich ein lautes Klacken und das Schloss sprang auf.

Der kleine Junge rannte nach draußen, bog sofort in die nächstbeste Gasse ein und verschwand im Schatten.
 

Atras

Pöbel
Neue Ziele


Die Gegenwart...

Das war alles andere als gut gelaufen. Wo war er da nur hineingeraten? Warum nur musste dieser Kerl ausgerechnet die Vizegouverneuerin von Vesper entführen? Zwar hatte er bei der ganzen Sache etwas Gold abgreifen können, aber Trinsic war nun ein heißes Pflaster für ihn geworden.
Eigentlich verwunderte es ihn, dass nicht schon längst Steckbriefe mit seinem Gesicht darauf an den Anschlagbrettern der Stadt hingen.
Atras musste an die letzten Worte des Gouverneurs von Vesper denken, nachdem sie Lady Robin aus dem Versteck des Entführers befreit hatten.
„Ich werde euch in den nächsten Tagen aufsuchen, nachdem ich den Fall geprüft habe und ihr werdet euren gerechten Lohn erhalten...“

„Von wegen gerechter Lohn. Dieser selbstgefällige Narr hätte seine Vize irgendwo aus der Gosse aufkratzen können, wenn ich ihm und dieser Göre nicht geholfen hätte, mit diesem Drakken Kontakt aufzunehmen.“ Diese und viele weitere Dinge Gedanken kreisten durch seinen Kopf.
Er blickte angestrengt auf die friedlich schlafenden Pferde hinab. Er selbst lag mit den Beinen ausgestreckt auf einem Stapel Heuballen und hatte sich mit dem Rücken an die Holzwand des großen Stalls gelehnt. Ein Grashalm lugte aus seinem Mundwinkel hervor, auf dem er genervt herumkaute.
Eigentlich war es ein gewagtes Spiel, sich gerade hier auszuruhen, lag der Stall doch in unmittelbarer Nähe des Hauptsitzes der Garde von Trinsic.
Andererseits erwartete er nicht mehr, dass sich noch jemand für die ganze Angelegenheit interessierte.
Atras ließ geschickt eine Goldmünze von einem Finger zum anderen tanzen, während er über seine Situation nachdachte.
Es war seine letzte Goldmünze. Zwar hatte der Gouverneur von Vesper ein hübsches Sümmchen springen lassen, aber Atras hatte fast ebenso viele Ausgaben gehabt. Da gab es Leute, die zu bezahlen waren, damit sie wiederum Leuten Gold gaben, damit er in Sicherheit war. Und er brauchte Informationen, wichtige Informationen und auch diese waren kostspielig.
Atras blickte nachdenklich auf seinen Unterarm. Auf der seiner Mitte befand sich ein kleines eingebranntes Symbol. Er schüttelte den Kopf, als wollte er unliebsame Erinnerungen vertreiben, die das Symbol in ihm hervorriefen.

Er dachte an die letzte Nacht und das hübsche Geschöpf, für das am Ende das restliche Gold drauf gegangen war.
Ein Lächeln umspielte für einen kurzen Moment seine Lippen.
Aber die Erinnerung an die hübsche Brünette schaffte es nicht lange, seine finsteren Gedanken zu vertreiben.
Nun lag er in einem stinkendem Stall und musste sich diesen mit den Gäulen der Durchreisenden teilen.
Er öffnete einen Sack mit allerlei Utensilien darin, und hoffte, darin noch etwas essbares zu finden.
Vor einiger Zeit hatte er einem Elfen, dem er auf seiner Reise nach Trinsic Gesellschaft geleistet hatte, einige Dinge gestohlen.
„Da waren doch diese dünnen Scheiben...“, murmelte er und zog das dünnen Elfenbrot hervor. Er biss halbverhungert hinein und spuckte es im nächsten Moment wieder aus.
„Pah...kein Wunder, dass Elfen immer so hager aussehen“, brummte er vor sich hin und pfefferte das restliche Brot an die Stallwand.

„Wohin nur...Atras denke nach...du darfst dein Ziel nicht aus den Augen verlieren...aber ohne Gold...hm...“
Atras dachte an etwas, was er durch Zufall die letzten Tage erfahren hatte: ein Regierungswechsel stand in den nächsten Tagen in Trinsic an.
Ob er doch noch eine Weile in der Stadt verweilen sollte? Konnte er das Risiko eingehen, nochmals dem Gouverneuer und seiner Vize über den Weg zu laufen?
Er nickte, als wollte er sich selbst bestätigen.

Vielleicht würden sich neue Möglichkeiten ergeben...
 

Atras

Pöbel
Ein Schlüssel ohne Wert​


Seine Faust knallte auf den Tisch. Das raue Holz erzitterte unter der Erschütterung, Gläser machten einen Satz nach oben, Schnaps wurde verschüttet.
„Hey, Mann...was soll der Mist! Sieh dir die Sauerei an!“
Ein grobschlächtiger Kerl, der zwei Plätze weiter saß, wischte sich den Schnaps von der Hose und warf dem Störenfried einen grimmigen Blick zu.
Anstatt etwas zu erwidern, drehte Atras dem Kerl sein Gesicht zu, verengte seine Augen zu schmalen Schlitzen und blickte ihn mit eisiger Kälte an. Wenn Blicke töten könnten, wäre der Kerl mit Sicherheit im nächsten Moment leblos hinten über gefallen. Nun musste sich Atras damit begnügen, dass sich der Mann unsicher drein blickend abwandte und es dabei bewenden ließ.

Atras war stinksauer. Seit seinem ersten Tag in Trinsic hatte ihn das Glück in Stich gelassen.
Er öffnete langsam seine Faust und ließ seine Handfläche langsam auf den Tisch sinken.
„Ruhig, Atras, ruhig...“ Er versuchte sich selber Mut zuzusprechen. „Immerhin hat sie dir Kohle gegeben...du hast wieder ein Dach über den Kopf...du riechst nicht mehr nach Pferdepisse und hast einen vollen Magen.“
Sie war Lady Robin, die Vizegouverneurin von Vesper. Keiner der Gäste im Keg and Anchor wäre auf die Idee gekommen, dass der gutaussehende Mann mit den langen brauen Haaren, dem ordentlich rasierten Bart und der gepflegten Kleidung noch vor einem Tag der heruntergekomme Bettler namens Daren gewesen war. Die traurige Gestalt, die Lady Robin voll Mitleid auf ein opulentes Mahl in die Taverne eingeladen hatte, der kranke, zittrige Mann, um den die anderen Gästen einen großen Bogen gemachte hatten, angewidert von seinem Gestank und aus Angst, sich an einer üblen Krankheit anzustecken.

Aber die beste Verkleidung hatte nichts geholfen.
Atras hatte es auf ihren Schlüssel abgesehen gehabt, genauer gesagt den Schlüssel zu ihrem Büro.
Sein Blick fiel auf den kleinen Lederbeutel, den eigentlichen Grund für seine miserable Laune, der vor ihm zwischen seinen Händen lag.
Atras griff danach und schüttete den Inhalt in seine linke Hand.
Da war er nun, der Bund mit dem Schlüssel zu Lady Robins Büro. Neben dem schlichten Schlüssel aus Eisen befand sich am dem kleinen Schlüsselring ein goldener Anhänger in Form eines Drachen und ein Ring, in den kunstvoll ein strahlender Saphir eingefasst war.
„Wertlos...“, murmelte Atras in sich hinein und ließ die Gegenstände nacheinander durch seine Finger gleiten.
Dabei hatte er sich die größte Mühe gegeben. Ein kleines Anrempeln, ein unauffälliger, zielgerichteter Griff in die Tasche. Aber sie hatte es bemerkt.
Zwar konnte Atras entkommen, aber der Schlüssel war nun ohne Wert. Zweifelsohne wird Lady Robin direkt nach der misslungenen Tat eine Wache vor ihrem Büro postiert haben.
Atras musterte den goldenen Anhänger und den Ring. Beide Dinge durften einen beträchtlichen Wert haben, aber wo sollte er sie in der Stadt loswerden? Ihm fehlten in Trinsic bisher die nötigen Kontakte und er konnte mit dem Diebesgut kaum zu einem Pfandleiher gehen.
Er beschloss, die Gegenstände wieder in dem Beutel verschwinden zu lassen und sich später Gedanken darüber zu machen, was damit geschehen sollte.
„Am besten einfach ins Hafenbecken damit“, dachte er und leerte seinen Bierkrug.

Atras ließ den Wirt kommen, zahlte die Zeche und verließ die Taverne.
In Gedanken versunken schlug er den Weg in Richtung seiner Unterkunft ein. Wenigstens musste er diese Nacht das Lager nicht wieder mit den Pferden teilen.
In seinem Zimmer angekommen, ließ er sich ohne Umwege auf das schmale Bett fallen und schloss die Augen.
Aber seine Gedanken ließen ihn keinen Schlaf finden. Wieder und wieder spielte er verschiedene Möglichkeiten in seinem Kopf durch, finstere Pläne, um sein Ziel zu erreichen.
Sollte er es noch einmal versuchen? Er hatte den Fürsten tagelang beschattet, war ihm auf Schritt und Tritt gefolgt. Ein direktes Treffen mit ihm ohne eine "Lebensversicherung" war vollkommen ausgeschlossen.
Selbst wenn der Fürst schlafen ging, schien ihm dieser Hüne in der schweren Rüstung zu folgen und Atras verspürte wenig Lust, nähere Bekanntschaft mit diesem zu machen.
Wenn er dem Fürsten gegenübertreten wollte, dann nur, wenn er alle Vorteile auf seiner Seite hatte. Aber war der Weg über Lady Robin wirklich der richtige? Ein wenig tat sie ihm fast leid, wenn auch nur sehr wenig.
Normalerweise hatte er kein Problem damit, jemanden skrupellos auszunutzen, aber die kleine Frau hatte einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen.
Ihre bedingungslose Großzügigkeit, die er in der Verkleidung als Armseliger Bettlers von ihr erfahren hatte und ihr Mitgefühl hatten seine Sympathie geweckt.
„Hätte sich jemand damals so um uns gekümmert...“ Atras beendete den Gedanken nicht und grübelte stattdessen weiter über seinen Plan nach.
Es dauerte nicht lange, bis eine bleierne Schwere Besitz von seinen Gliedern nahm und er in einen unruhigen Schlaf fiel.
 

Atras

Pöbel
Eine unerwartete Wendung​

Ein Spiegel, eine Schere, ein paar Salben und Cremes, angereichert mit Farbpigmenten, einige geklaute Stoffe eines Händlers und zwei geschickte Hände hatten gereicht, um seinen Plan endlich erfolgreich umzusetzen.
Genau genommen war es erst der erste Teil seines Planes, aber nachdem Lady Robin den Diebstahl ihres Schlüssel bemerkt hatte, war Atras nun mehr als zufrieden mit seinem Ergebnis.

Tatsächlich hatte er es wieder gewagt, sich ihr erneut in einer weiteren Rolle zu zeigen.
Dieses Mal war er Lady Robin in der Gestalt eines armen gebeugten Sklaven begegnet, der der Vizegouverneurin von Vesper eine Botschaft des bekannten Händlers Fahid Al-Karash aus Nujel'm überbringen sollte.
Selbstredend war der Händler ebenso ein Produkt seiner Fantasie, wie auch der Name, den er sich selbst verliehen hatte.
Aber sie war ihm dieses Mal auf dem Leim gegangen. Zufrieden hielt er das Ergebnis seiner Bemühungen vor sich in den Händen: die schriftliche Antwort auf die Anfrage des Händlers aus Nujel'm, der sich einen Platz beim nächsten Stadtfest sichern wollte.
Atras grinste breit, als er seine selbst geschriebenen Zeilen las.
"...dem großen Fahid Al-Karash, Händler exotischer Tiere, wie Ihr sie nie zuvor gesehen habt..."
Er lachte leise, legte das Schriftstück beiseite und schmunzelte über sich selbst.
Was ihn bloß zu dieser Idee geritten hatte...
Glücklicherweise hatte Lady Robin ihn nicht weiter zu den exotischen Tieren befragt, die der Herr hätte feilbieten wollen.
Atras hatte recht wenig Ahnung, wie es um die Tierwelt außerhalb der großen Städte aussah und abgesehen von einigen Attraktionen auf anderen Märkten, waren ihm nie irgendwelche exotischen Tiere begegnet, außer vielleicht denen, die man reiten konnte.

Er nahm Lady Robins Antwortschreiben in die Hand und studierte es eine ganze Weile, suchte nach außergewöhlichen Merkmalen in ihrer Handschrift, prägte sich Buchstabe für Buschstabe ein und nahm dann ein leeres Blatt Papier zur Hand.
Sorgfältig setzte er ein Schreiben auf, in einer Handschrift, die der von Lady Robin fast bist in das kleinste Detail glich.
Anschließend versiegelte er den Brief. Das Siegel Vespers zu kopieren hatte sich als weitaus einfacher erwiesen und hatte ihn vor keine sonderlich große Aufgabe gestellt.

Atras blickte auf das kleine Paket, das er als "Überraschung" für den Fürsten auserwählt hatte.
Er legte das vermeintliche Schreiben von Lady Robin auf das Geschenk für den Fürsten und rieb sich die Hände.
"Sehr schön...er wird keinerlei Zweifel hegen, dass es nicht von ihr stammt. Das wird mich meinem Ziel näher bringen", dachte er bei sich, während er zum Waschtisch ging und sich die übrig gebliebene Farbe seiner Maskerade aus dem Gesicht wusch.
Er betrachtete sein Spiegelbild, drehte seinen Kopf langsam nach links und nach rechts und fasste sich an sein nacktes Kinn.
Atras seufzte. Den Bart würde er sich wieder wachsen lassen.
Aber es war nur ein geringer Preis, wenn nun alles endlich so klappen würde, wie er es sich vorgestellt hatte.
Er zog sich neue Sachen an und beschloss, sich zur Feier des Tages einen guten Wein zu genehmigen.

Als er wenig später die Taverne erreichte, spürte er bereits am Eingang, dass etwas in der Luft lag.
Die Leute benahmen sich außergwöhnlich seltsam. Auf der einen Seite waren höchst ausgelassene Gäste, die lauthals gröhlend etwas zu feiern schienen, auf der anderen Seite saßen die Gäste missmutig und still an ihren Plätzen und blickten grießgrämig in ihre Gläser.
Er überlegte, zu welcher Sorte Gäste er sich gesellen sollte und obwohl er selbst sehr guter Dinge war, beschloss er, sich an die ruhigeren Tische zu setzen.
Letztlich war ein Trunkenbold nicht die beste Informationsquelle, wenn er lauthals singens über die Tische tanzte.
So etwas in der Art ging ihm jedenfalls durch den Kopf, als er die Richtung der anderen Tische einschlug und ihm dabei fast einer der feiernden Gäste auf den Rücken fiel, der torkelnd auf dem Tisch tanzend das Gleichgewicht verloren hatte und hinter ihm auf den Boden krachte.
Ein weiterer Mann kam der armen Seele zu Hilfe und hob ihn lallend wieder auf.
"Eeeeeeeeeh....wiaaa ssssiiiind noch langä nniischt fettisch...noooch ´n Trunnnk auf´n Haaauptmannnn....!"
Atras schüttelte grinsend den Kopf und setze sich auf einen freien Platz an einem der anderen Tische.
Er schnippte nach dem Wirt, der dabei war, ein weiteres voll beladenes Tablett bei den ausgelassen Gästen abzuladen, wartete ab, bis der rundliche, schwitzende und offensichtlich völlig überarbeitete Mann an seinen Tisch kam.
Atras gab seine Bestellung auf und wandte sich seinem Sitznachbarn zu, der verdrießlich in seinen Bierhumpen starrte.
"Sagt bitte, guter Mann", begann Atras höflich. "Was ist hier heute los?" Er nickte in Richtung der feiernden Gäste.
"Ach die...die feiern die "Heldentat" des Hauptmanns der Garde, über die seit heute Morgen ganz Trinsic spricht", erwiderte der Mann und nahm einen großen Schluck aus seinem Humpen. Er wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab und musterte Atras missmutig.
"Ich sage euch...der Fürst wird wiederkommen und dann wird alles noch schlimmer als vorher. Wir werden wieder die Dummen sein...die einfachen Bürger. Der Kopf des Hauptmannes wird rollen und in der Garde wird "aufgeräumt".
Und wer weiß, wer dann folgen wird. In der Zwischenzeit reiben sich doch die Diebe und Wegelagerer die Hände, während der Hauptmann sich in seinem beschissenen Gefängnis verschanzt!"
Atras dämmerte langsam, dass etwas vorgefallen war, das seine Pläne auf ein Neues zunichte machen würde.
"Ähm...der Fürst...wird wiederkommen? Wo ist er denn jetzt...?", fragte Atras.
"Ach ihr habt das alles gar nicht mitbekommen? Mein lieber Mann..." Fuhr der Mann neben ihm fort. "Ihr solltet mal die Anchlagbretter lesen!"

Atras stand sofort auf und ging raschen Schrittes auf das Anschlagbrett auf der gegenüberliegenden Wand zu.
Ein großes Schreiben fiel im gleich ins Auge. Auf diesem war eine eilig dahin gekritzelte Karrikatur zu sehen - offenbar sollte sie Hauptmann Kjartan darstellen, wie er mit seinem Schwert Fürst Slare den Hintern versohlt.
Er überflog eilig das Schreiben, das anscheinend irgend einer der Gäste von einer anderen Stelle abgerissen und hier aufgehängt hatte.
Seine Miene verfinsterte sich mit jedem Wort, das er las und er knirschte leise mit den Zähnen.
Anschließend kehrte er zu seinem Tisch zurück und ließ sich wieder neben seinem vorherigen Gesprächspartner nieder.
"Das heißt also, der Fürst ist aus Trinsic verjagt worden?"
"Geflohen, so sagt man...geflohen", nickte der Mann. "Ich sage euch...das wird ein schlimmes Ende nehmen."
Atras stand wortlos auf, drückte dem Wirt im Vorbeigehen ein paar Goldstücke in die Hand und verließ die Taverne.

Wieder einmal hatte er sein Ziel nur knapp verfehlt.
 
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