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Ein langer Winter

Gelangweilt saß der Fürst, der keiner mehr war, und dessen Bart länger und länger, dessen Bauch dicker und dicker zu werden begann, in seiner Stube und starrte aus dem Fenster. Seit Wochen war der Regen unablässig auf sie hinabgefallen, hatte die Felder geflutet und die Wellen auf dem Meer zu Bergen aufbrausen lassen. Der lange Regen war in den Spuren eines langen Winters gekommen, der die Länder des Nordens in eine weiße Wüste verwandelt hatte. Die Sonne, wenn es denn noch eine gab, verbarg sich hinter undurchdringlichen Wolkenschleiern, während Tage und Nächte fast unterschiedslos verstrichen.

Wie lange es her war, seit ihn sein eigenes verhasstes Volk verjagt hatte! Und wie wenig er seither erreicht hatte. Auf der Spitze ließ Dexter Slare seinen Dolch wie eine fragile Tänzerin über den Holztisch kreisen und schweifte mit den Gedanken in der Zeit zurück. Er sah große Pläne und ehrgeizige Ziele, sah Niedertracht und Verrat, Opfer und Sühne. Er sah die Unschuldigen, die durch ihn gestorben waren, und eine tiefe Sehnsucht befiel sein rabenschwarzes Herz. Eine lange Krankheit hatte ihn davon abgehalten, sein Werk fortzusetzen, und er spürte fast so etwas wie Dankbarkeit – vielleicht war es aber auch nur Erleichterung – gegenüber dem Herrn, der ihm Asyl gewährt hatte, dass er den nutzlosen Gast nicht längst wie einen schmarotzende Ratte davongejagt hatte.

War der Augenblick gekommen, in jene Stadt zurückzukehren, als deren rechtmäßigen Herrscher er sich noch immer sah? Die Garde war schwach geworden, das hatte er gehört. Die treuen Soldaten, die keine Arbeit hatten, weil die Diebe dort nichts mehr zu stehlen und die Vandalen nichts mehr zu zerstören fanden, vertrieben ihre Zeit mit Kartenspielen und ~~~~n. Viele Bürger hatten Trinsic verlassen, ihre Familie und Besitztümer in Britain und anderswo untergebracht. Selbst die Handelsgesellschaft, deren Miteigentümer er war und auf deren Kapital er sich als Fürst immer stützen konnte, brachte kaum noch Gold ein. Ihr Niedergang spiegelte sich im Staub, der sich in den Fluren der leeren Kontore am Hafen zu sammeln begann, und in den stolzen Schiffen, die wie Hunde an einer Kette auf ihre Einschläferung warteten.
Was für ein unwürdiges Ende der großen Stadt Trinsic. Auf und Ab, Hoch und Nieder, hatten sich hier in den vergangenen Jahren rascher abgewechselt als Ebbe und Flut am Ufer der weiten Ozeane. Aus Reichtum wurde Armut, aus Macht wurde Ohnmacht, dem kurzen Sommer folgte ein eisiger Winter.

Dexter Slare ließ den Dolch im Tisch stecken und erhob sich. Humpelnd ging er einige Schritte durch die Dachkammerstube, wobei die Dielen unter dem Gewicht seiner Schritte quietschten, bevor er einen Käfig am Ende des Raumes öffnete und hineingriff. Als er die Hand herauszog, wand sich ein junges Kätzchen sacht zwischen seinen Fingern und blickte neugierig umher. Zärtlich strich der Fürst, der keiner mehr war, durch ihr Fell, so als zeichnete er die Linien auf den Landkarten nach, auf denen er einst seine Eroberungen geplant hatte. Slare lächelte. Diese Tiere waren das Einzige, das ihm in dieser schweren Zeit noch Freude bereitete. Er schloss die Hände enger um das zarte Wesen und ging mit ihm zurück zum Tisch.

Eines hatte er sich geschworen, und diesen Schwur hatte er nicht vergessen: er würde Trinsic nicht einfach dahinsiechen lassen. Er würde nicht tatenlos zusehen, wie diese Stadt zurück in einen langen Winterschlaf fiel, bis sie nur noch ein Schatten ihrer selbst war.
Nein – ihren Niedergang, ihren Alptraum, ihr Ende wollte er selbst herbeiführen. Und es sollte ein triumphaler Niedergang sein; einer, an den man sich noch in hundert Jahren erinnern sollte. Er war krank, er war schwach, er war machtlos, doch in ihm brannte noch immer der unstillbare Wunsch nach Vernichtung.

Mit einer Hand hielt Dexter Slare die Katze. Mit der anderen ergriff er den Dolch.
 
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