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Ein Abschied

Eines Tages im Oktober brachte mir ein Bote einen Brief ins Rathaus. Auf dem Umschlag stand nur ‚Plötzbogen, Trinsic‘. Ich riss den Umschlag auf und las.

An Alrik Plötzbogen,
kommt bitte, so schnell es geht, zu Meister Slave.
Treman


„Nein! Nicht das!“ Ich ließ alles stehen und liegen, reiste nach Hause und suchte die Rune zu Slaves Turm. Nach ein paar Minuten hatte ich sie hinten in einer Schublade gefunden und wenige Augenblicke später stand ich vor dem Turm, in dem ich meine ganze Jugend verbracht hatte. Das letzte Mal hatte ich Slave zusammen mit Alia vor vier Jahren besucht. Wie schnell doch die Zeit vergangen war. Aus dem Kamin stieg kein Rauch auf. Ich klopfte an die Tür, ein kräftiger junger Mann öffnete mir.
„Alrik Plötzbogen?“, fragte er mich.
Ich nickte.
Er verbeugte sich tief. „Mein Name ist Treman. Ich bin seit drei Jahren der Gehilfe von Meister Slave. Er hat nach Euch und Eurem Bruder verlangt, hoher Herr. Es … er … Das Ende ist nah.“
Ich trat an dem verschüchtert wirkenden Mann in den Turm. Es sah hier immer noch aus wie früher. Sogar die Vorhänge, die wir damals in Trinsic gekauft hatten, hingen noch in den Fenstern. Die Erinnerungen an die damalige Zeit überwältigten mich unverhofft und ich musste einen Moment innehalten und nach Atem ringen. Dann ging ich die zwei Treppen hoch und stand an dem Lager meines alten Meisters und des Mannes, der für mich wie ein Vater gewesen war.
So wenig sich Slaves Turm in den Jahren verändert hatte, so deutlich hatte die Zeit ihm zugesetzt. Er war alt und gebrechlich geworden. Die 70 hatte er schon weit überschritten. Er lag in seinem Bett und atmete schwer. Mit der Gewissheit, dass ich Slave heute zum letzten Mal begegnete, trat ich an sein Lager.
„Meister Slave. Ich bin gekommen“, sagte ich leise.
Er blickte müde zu mir auf, kniff die Augen zusammen und versuchte, mich zu erkennen. „Alrik? Hast du doch noch mal den Weg hierher gefunden. Komm, setz dich zu mir.“
Ich setzte mich an das Bett und griff seine Hände. Wie schwach waren sie jetzt, diese Hände des einst bärenstarken Mannes. Ich brachte keinen Ton heraus.
Er lächelte schwach. „Mach dir nichts draus. Alles ist gut. Tri … Treman übernimmt den Turm und … das Geschäft, wenn ich dann gegangen bin.“
Ich nickte mühsam.
„Ach, und Alrik. Du musst wirklich die verbrannten Vorhänge ersetzen. Die Sonne leuchtet immer so rein und blendet mich.“
„Slave, wir haben doch zusammen in Trinsic neue Vorhänge gekauft. Erinnerst du dich?“
Er sah mich zweifelnd an. „Ja, ja, du hast recht. Hatte ich vergessen. Gehst du wieder auf Abenteuer?“
„Nicht heute. Ich bleibe hier.“
„Das freut mich. Du musst besser auf dich aufpassen, weißt du. Ah, … es gibt da noch eine Sache, die ich tun muss, bevor ich gehe.“
Mir war wieder eingefallen, was es war, und ich wartete auf seine Frage. Vor einem viertel Jahrhundert hatte er mir vorausgesagt, dass er mir diese Frage stellen wollte. Und er hatte wahrlich bis zum letzten Moment gewartet.
„Wer bist du, Alrik Plötzbogen?“, fragte der alte Mann.
Ich dachte zurück an alles, was ich erlebt hatte, an alles, was ich vollbracht hatte: weit gereister Abenteurer, Kampfmagier, Priester einer gefallenen Göttin, Stadtrat, Baron. Aber nichts davon war mir wert, es auf diese Frage als Antwort zu nennen. Nichts schien im Angesicht des Todes von wirklicher Bedeutung zu sein. Hätte ich doch stolz sagen können: Ich bin der Ehemann einer glücklichen Frau, ich bin der Vater eines gesunden Kindes. Das hätte Gewicht, das hätte Bedeutung gehabt. Das hätte dem Tod getrotzt! Indes, ich war weder das eine noch das andere. Meine Titel, für die ich so lang gekämpft hatte, schienen mir hohl und leer. Ich öffnete den Mund, sagte aber nichts.
„Du brauchst mir die Antwort gar nicht zu geben, Alrik. Du selbst musst erkennen, was der rechte Weg für dich ist. Man kann immer seine Schritte in eine neue Richtung lenken. Das wollte ich dir noch sagen. Und jetzt bin ich müde.“
„Schlaf ein bisschen, Slave. Weißt du noch, wie wir damals nach Trinsic gereist sind? Du hattest die Rüstungen für Wulf von Trinsic auf Sternchen verladen … “ Ich erzählte immer weiter von jenem Tag.
Slave hörte mir zu, schloss nach einiger Zeit die Augen und schlief lächelnd ein. Ich verstummte. Es hatte mich alle Kraft gekostet, bis hierhin zu reden, jetzt konnte ich nicht mehr. Dann trat Treman hinzu. Hinter ihm kam seine Frau mit der kleinen Tochter auf dem Arm schüchtern die Treppe herauf. Sie setzten sich zu mir und wir warteten gemeinsam und schweigend.
Bei Sonnenuntergang bestatteten wir Slave am Fuß seines Turms. Es war düster geworden, als ich mich von dem neuen Schmiedemeister verabschiedete.
„Kann ich noch etwas für euch tun?“, fragte ich die Familie, die in Trauer vereint vor dem frischen Grab stand.
Treman blickte mich schüchtern an und sagte: „Habt Dank, hoher Herr, aber wir haben alles, was wir brauchen.“
Ich sah zu ihm, seiner Frau und der kleinen Tochter, die auf dem Arm der Mutter eingeschlafen war, den Daumen im Mund. „Wahrlich, das habt ihr! Beneidenswert. Lebt wohl und in Frieden.“
 
25 Jahre zuvor in Trinsic

Eine Stunde später saßen wir im Gasthaus ‚zum Rostigen Anker‘. Ich erzählte Slave immer noch begeistert von den Abenteuern des heutigen Tages, hatte die Rune – jetzt mein größter Schatz – vor mir auf den Tisch gelegt und schaute sie liebevoll an. Wir nahmen ein ordentliches Abendessen – Bohneneintopf mit Speck, dazu ein saftiges Kartoffelbrot – ein. Slave hatte mir mein erstes Glas Wein spendiert.
Wir wurden vom Wirt Anselm Pechan persönlich bedient. Ein kleiner, rundlicher Mann mittleren Alters mit einem breiten, freundlichen Gesicht und gutmütigen hellblauen Augen. Seine lockigen braunen Haare standen ihm in alle Richtungen wirr vom Kopf ab. Ein dichter brauner Schnurrbart ging nahtlos in einen buschigen Backenbart über, der bis zu den Schläfen reichte. Wie jeder Wirt, den ich kannte, hatte er einen angenehmen Biergeruch an sich.
Der Wein löste meine Zunge. Ich erzählte und erzählte. Slave hörte mir geduldig lächelnd zu. Vor allem interessierte ihn mein Erfolg beim Prägen der Rune. Ich musste ihm immer wieder – und ich tat das sehr gern – versichern, dass ich den Zauber wirklich selbst erfolgreich angewendet hatte.
In diesem Moment ging die Tür auf. Wulf von Trinsic betrat die Taverne. Sofort richteten sich alle Augen auf ihn. Einige Gäste schienen erst erschrocken, dann aber wieder beruhigt, als sie sahen, dass der Hauptmann der Garde nicht dienstlich, sondern privat die Taverne aufsuchte. Er hatte seine Uniform mit einem bequemen Anzug aus schwarz-gelbem Tuch – selbst hier trug er die Farben der Garde – getauscht. Wulf blickte sich ganz langsam im Raum um. Ein paar der Anwesenden schlugen schnell die Augen nieder, als er sie direkt ansah. Er durchquerte den Gastraum und setzte sich zu uns an den Tisch, … mit dem Rücken zur Tür. „Seid gegrüßt, Meister Slave und Alrik.“
Wir grüßten ihn ebenfalls. Slave, der Wulf gegenüber saß, und somit den Raum überblicken konnte, raunte ihm leise zu: „Hauptmann, hinter Eurem Rücken verdrücken sich gerade ein paar Burschen, die bei Eurem Eintreten sichtlich zusammengezuckt sind.“
„Yep, aber ich bin nicht im Dienst.“
„Nicht im Dienst? Ich habe Gerüchte von Euch gehört, die mich das nicht glauben lassen“, sagte Slave erstaunt.
Wulf lachte leise. „Habt Ihr das? Gerüchte sind ein schlechter Ratgeber, Herr Schmied.“
Slave zuckte mit den Schultern. „Nun, es ist Eure Stadt, Herr Wulf. Ihr seid hier für Recht und Ordnung verantwortlich.“
„Bin ich. Aber nur im Dienst. Und jetzt bin ich nicht im Dienst“, strahlte er, während in seinem Rücken der Vierte gerade zur Tür hinausschlüpfte. Wulf sah trotzdem ziemlich zufrieden aus.
Ich wagte eine Bemerkung. „Verzeiht, Hauptmann Wulf, aber kann es sein, dass Ihr mit ein paar Leuten gekommen seid, die sich noch im Dienst befinden?“
Er schaute mich erfreut an und zeigte mit dem Zeigefinger auf mich. „Du bist ein kecker Bursche, Alrik. Und du hast es erraten. Draußen vor der Tür stehen ein paar meiner Männer, … im Dienst. Sie haben den Befehl, alle Personen, die in den ersten zwei Minuten nach meinem Eintreten die Taverne verlassen, zu einem kleinen Aufenthalt im Gardehaus einzuladen“, flüsterte er uns lächelnd zu. „Den Geräuschen nach waren es vier, nicht?“
Ich nickte. Slave lehnte sich lachend zurück, die List nun auch durchschauend. „Ihr seid ein wahres Schlitzohr, Herr Hauptmann.“
Vor der Tür war ein Tumult zu hören. Wulf flüsterte: „Wenn man Schlangen fangen will, muss man auf den Boden klopfen, um sie aufzuscheuchen. Von Zeit zu Zeit wende ich diesen kleinen Trick an. Und nun, meine Herren. Der Dienst ruft! Ich glaube, da warten ein paar zwielichtige Herrschaften im Gardehaus auf mich und wollen mir ihre Herzen ausschütten. Lebt wohl, Meister Slave. Und du, Alrik, es würde mich freuen, dich wieder in Trinsic zu sehen. Peter hat mir berichtet, was du heute auf der Insel der Untoten getan hast. Wir haben hier in Trinsic viel vor, von dem ich heute noch nicht reden will. Aber wir könnten aufgeweckte Burschen wie dich gut brauchen in der Stadt der Paladine.“
Wulf stand auf und ging zur Tür. Wenige hielten seinem strengen Blick stand, mit dem er vor dem Verlassen der Taverne alle im Raum musterte.
„Trinsic kann sich glücklich schätzen, so einen Mann unter seinen Bürgern zu haben. Ich habe das Gefühl, wir werden in Zukunft noch einiges von ihm und dieser Stadt hören“, sprach Slave mehr zu sich als zu mir.
Dann nahm er die Rune vom Tisch auf und drückte sie mir in die Hand. „Lass uns nun zu Bett gehen. Wir wollen morgen sehr früh aufstehen und nach Hause reisen. Ich habe große Lust bekommen, in meiner Schmiede zu arbeiten. Ich bin sicher, deine zweite Reise durch ein Mondtor wird … würdiger werden. Morgen Abend wollen wir dann richtig feiern.“ Er klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter. „Und du hast wirklich diese Rune selbst geprägt, Alrik?“
Ich nickte ihm stolz zu.
„Hm, … du hast heute wirklich viel erlebt und das Leben eines Abenteurers geschmeckt. Was denkst du nun darüber?“, fragte der Schmied mit seltsam belegter Stimme.
Meine Gedanken kreisten um das glitzernde Mondtor, die gelbe Stadt mit ihren hohen, wehrhaften Mauern und um die Schlacht gegen die Untoten auf der Insel. Tugendhaftigkeit und Mut hatten sich mit der Urkraft des Bösen gemessen … und waren geschlagen worden. Mir brummte der Kopf von all den Eindrücken, die ich an einem einzigen Tag gesammelt hatte. Für einen kurzen, wirren Moment hatte ich den Wunsch, Slave und seinen Turm zu verlassen. Warum nicht hier in dieser prachtvollen Stadt bleiben und an diesem wunderbaren und aufregenden Leben teilhaben? Es drängte mich, aufzuspringen und in die lichtlosen Wälder und tiefen Verliese voll goldener Schätze und äonenalter Geheimnisse aufzubrechen.
Diese Orte waren bisher nur als sagenhafte Schatten am Horizont meines Lebens aufgeflackert. Aber hier in Trinsic hatte ich den Eindruck, dass diese gefährlichen Gefilde, an denen ein Abenteurer seinen wahren Wert beweisen konnte, nur einen Steinwurf weit entfernt lagen. Ich blickte zum Fenster, ein schwarzes Tor, in dem ich nur das Dunkel der Nacht sah ... und mein eigenes Spiegelbild. Aber dahinter, dahinter lagen sie, die Wunder unserer Welt. Ich brauchte nur die Tür zu durchschreiten und loszuziehen. Weg von meinem alten Leben und weg von … Slave.
Aus meinen Gedanken aufschreckend blickte ich in das ehrliche Gesicht des Schmieds. Ich begriff, dass mein Aufbruch in diese verlockende Welt zugleich einen schmerzhaften Abschied von Slave bedeuten würde. Von einem Mann, den ich achtete, den ich respektierte und der mir fast wie ein Vater geworden war.
Ich fand jetzt keine Worte, die Slaves Frage beantworten konnten. Doch er mochte in meinem Gesicht sehen, dass der Weg des Abenteurers für mich schon in meinem Herzen vorgezeichnet war. Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch ich zu jenen wunderbaren Orten aufbrechen würde, um meine Kräfte mit den Mächten der Finsternis zu messen.
Der Schmied seufzte und sprach leise: „Ich weiß, dass mein Weg nichts für dich ist, Alrik. Aus dir wird kein Handwerker oder Händler werden. Dein Blut ist zu heiß, zu ungestüm für ein ruhiges Leben. Ich sehe die Abenteuerlust in deinen Augen glühen. Wie bei deinem Bruder Zoltan und wie bei deinem Vater, als er jung war. Du wirst mich bald verlassen wollen.“
„Aber Meister, wer sagt denn so was? Wer putzt denn dann deinen Turm, wenn ich nicht mehr da bin? Ich kann dich also gar nicht verlassen“, erwiderte ich und grinste breit.
Slave lachte wissend laut auf. „Lass uns eine Abmachung treffen, Alrik. In vielen Jahren werde ich dir eine Frage stellen. Sie wird sehr einfach klingen und lauten: Wer bist du, Alrik Plötzbogen? Dann überdenke dein Leben und was du getan und geleistet hast. Denke über deine Freunde nach. Über eine Familie, die du dann haben wirst, oder auch nicht haben wirst. Über den Ort, den du dein Zuhause nennen wirst. Prüfe dein Gewissen und alles, was du getan hast. Dann wirst du wissen, wer du bist, und ob der Weg des Abenteurers dich glücklich und zufrieden gemacht hat.“ Er sagte das mit großem Ernst.
„Ja, fein, ich stimme dieser Abmachung gerne zu.“
 

Manina Aura

Lehrling
Manina stand an der Balkontüre im Gesindehaus von Westcliff und lauschte nach draussen.
Sie wusste, dass dort Harika sass - das Gesicht in die kleinen Hände vergraben...

Sie vermisst sie immer noch so sehr...

Manchmal tat es ihr so weh, das Kind Stunde um Stunde blicklos in die Brandung starren zu sehen und sich an seine Eltern zu erinnern.
Sie würde Andarielle und Wulf niemals ersetzen können, das wurde ihr immer klarer.
Tief einatmend öffnete sie die Türe um nach draussen zu gehen, das Kind zart in den Arm zu nehmen und zu versuchen, sie ein wenig zu trösten...

Komm her Kleines...

(Danke Alrik für die süsse Traurigkeit beim Erinnern an lange vergangene Tage *knuddelschnief*)
 
Leute gibt's


Ataf sagte: „Nun, Wulf kümmert sich um weltliche Dinge. Dem ist das Thema fremd. Und Dark?“ Er verdrehte die Augen, „Ritter Dark ist ein Meister des Simplifizierens. Er reduziert jedes Problem auf zwei Kräfte, die gegeneinander wirken, bis eine sich als die stärkere erweist. Sprich, er löst einfach alles mit Gewalt. Der Stärkere setzt sich durch. Und der hat dann auch recht. Irgendwie erfrischend, diese Denkweise.“
Ich sagte: „Beneidenswert, komplizierte Dinge so abhandeln zu können.“
„Nun, auch Dark hat zuweilen durchaus originelle Gedanken. Er hat mich tatsächlich gefragt, was man bekommt, wenn man eine Null in zwei Teile teilt. Ich sagte Null, aber Dark hatte eine andere Lösung.“
„Welche denn?“
„Er sagte, man bekommt zwei halbe Alriks“, lachte Ataf lauthals.
Ich lachte auch etwas … der Form halber.
„Nun, Alrik, ich will dich nicht weiter mit den Gedanken und Sorgen eines alten Mannes quälen. Wenden wir uns doch wieder unseren hochinteressanten Büchern zu.“
Ich warf noch einen kurzen Blick auf das Buch, das offen auf Atafs Lesepult lag. „Oh, immer noch die Geschichte des Paladinordens, wie ich sehe.“
„Manche Dinge bleiben Geschichte. Manche werden vielleicht wieder lebendig.“ Ataf lächelte mich an.
Ich hatte Kopfschmerzen nach diesem Gespräch mit Großmeister Ataf. Und das mit der Erde und der Kugel, das musste ich unbedingt mal nachlesen gehen. Wobei, da kam mir eine bessere Idee. Ich vertiefte mich wieder in mein magisches Buch und hob mir das Kugelproblem für später auf.
Nach einer Stunde verließ ich die Bibliothek, ging ins Wachhaus der Garde und stieg auf die Mauer neben dem großen Stadttor. Ich stand sehr gern dort oben, schnappte etwas frische Luft – meistens wehte eine salzige Brise von See her – und sah zu, was am Tor Trinsics geschah. Plötzlich spürte ich ein Piksen an meinem Fuß. Ich sah herunter, und da war ein braunes Huhn, das sich meinen Stiefel zum Picken ausgesucht hatte. „Wo kommst du denn her?“, fragte ich automatisch, bekam aber keine Antwort. Das Huhn pickte weiter.
Ich ging ein paar Schritte zur Seite, aber das Tier folgte mir.
„Legst du es darauf an, im Suppentopf zu landen?“ Ich schnappte mir das Huhn und überlegte, ob ich es mit ins Rathaus nehmen und in der Küche abgeben sollte.
„Zum Gruße Stadtrat Alrik. Das ist mein Huhn, das du in der Hand hältst.“
Ich blickte mich um. Da stand eine junge Frau in einem langen braunen Kleid auf dem Pflaster der Gasse und blickte zu mir hoch. Die Frau war schlank und hochgewachsen, hatte langes schwarzes Haar. Mehr konnte ich auf die Entfernung nicht erkennen.
„Das ist dein Huhn? Das kann ja jeder behaupten, junge Dame. Wie heißt du denn?“
„Manina ist mein Name. Und nein, das kann nicht jeder behaupten. Ich kenne den Namen des Huhns. Es heißt PutPut.“
„PutPut?“
Sie nickte.
„Das ist ein sehr … naheliegender Name für ein Huhn. Vielleicht hast du ihn dir gerade ausgedacht?“
„Nein.“
„Nein?“
„Nein!“
„Fein. Aber wie es auch sei, Manina, ich schenke dir das Huhn.“
Sie blickte zu mir hoch, ohne etwas zu erwidern.
„Und?“
„Du kannst mir nichts schenken, was ohnehin mir gehört, Stadtrat Alrik.“
„Du bekommst das Huhn. Alles ist gut.“ Ich wollte es ihr schon zuwerfen.
„Halt, so geht das nicht. Ich werde dir beweisen, dass PutPut mein Huhn ist.“
„Da bin ich jetzt aber mal gespannt.“
„Ich habe das Huhn abgerichtet. Es gehorcht mir aufs Wort.“
„Abgerichtet? Ein Huhn?“
„PutPut ist das klügste und mutigste Huhn Trinsics.“
„Dieses Huhn?“ Ich hob es hoch und sah es mir an.
„PutPut, fass!“, rief Manina.
„Autsch!“ Das Tier hatte mich mit dem Schnabel gezwickt. Ich ließ es vor Schreck los. Das Federvieh flog mit ein paar Flügelschlägen von der Mauer herunter und landete neben der Frau.
„Siehst du!“, sagte sie.
„Deine Beweisführung ist überzeugend, Manina“, lachte ich.
„Schönen Tag noch. Komm, PutPut, wir gehen.“ Sie ging davon und … das Huhn folgte ihr.
„Leute gibt’s“, murmelte ich, stieg von der Mauer und ging zum Rathaus.
 

Harika

Kleine Blumenkönigin,
Es geschieht nicht oft, dass die beiden Mädels gemeinsam auf dem Balkon sitzen, den Sonnenuntergang betrachten und die frische Seebrise geniessen. Manina erzählt dann manchmal eine kleine Geschichte aus Trinsic, von einer Zeit, in der es Harika noch gar nicht gab.

"Ja, so war das damals. Ich weiss noch, wie viele Leute am Anfang schmunzelten oder gar laut lachten, wenn sie PutPut und mich durch die Stadt schlendern sahen, wenn ich sie mit zur Südbank nahm oder in den Park brachte, damit sie frische Kräutlein picken konnte. Bloss die Wächter am Tor waren immer freundlich zu uns, schenkten PutPut ein paar Körnlein und mir ein Lächeln. Die Schlimmsten waren die Poser von der Britain Westbank, wenn sie sich mal in unsere schöne Stadt verirrten und mit ihren Drachen prahlten. Ein Mädchen, das sich von einem Huhn beschützen lässt - das ging über ihren Verstand... Und dann diese Baphomets - stell Dir nur vor: die wollten doch tatsächlich PutPut in der Pfanne braten und aufessen! Da bin ich schnell um die Ecke geflitzt und habe die Torwachen geholt, die haben die Ärmste dann gerettet."

Manina schmunzelt bei diesen Worten, dann jedoch wird ihr Gesicht ernster und schwermütiger...

"Dann aber kam die schlimmste Zeit für die Stadt: wir wurden von unendlichen Horden Yukas angegriffen. Wochenlang gab es nur Kämpfe, Kämpfe, Kämpfe. Deine Eltern waren bei den tapferen Verteidigern und ich wollte natürlich auch helfen - bloss bin ich nicht gerade ein starker Held und hatte damals auch gerade erst meine Lehre der Alchemie beendet und angefangen, einige Zaubersprüche zu lernen. Was also tun ? Ich liess mir also ein paar Tische zimmern und baute auf der Paladininsel, direkt da hinten neben dem Ankh einen Stand auf. Da verteilte ich etliche stärkende, heilende und aufmunternde Tränklein an unsere Streiter, wenn sie erschöpft und blutend aus der Schlacht den Weg dorthin fanden. Die Templer verteidigten das Gelände, so war ich dort ziemlich sicher und konnte doch einen kleinen Beitrag leisten. Dann aber, eines Tages, als mir am Stand die Tränklein ausgingen, liess ich PutPut als Wache dort und eilte durch die ganze Stadt bis in den kleinen Magierladen in der Nähe des Stadttores um Nachschub zu holen...
Stell Dir mal vor, was ich sah, als ich wiederkam: Alle Tische waren umgeworfen, die Vorräte an Essen und Trinken wild herumgeschmissen, weit und breit kein Templer in Sicht - bloss vier tote Yukas lagen da herum - und auf der Brust des einen - da stand PutPut und pickte ihm gerade ein Auge aus! Von diesem Tag an war es allen klar, was für ein starkes, kluges und tapferes Hühnlein ich da bei mir hatte..."


Jetzt muss Manina wieder lächeln, als sie Harikas weit aufgerissene staunende Augen sieht.

"Du weisst doch die vornehme rote Schärpe, die ich in unserer Truhe aufbewahre? Die gehört nicht etwa mir - nein, sie wurde PutPut überreicht, nach dem Krieg in einer ganz tollen Zeremonie. Die Stadtwache stand Spalier, der ganze Stadtrat war da und der Herr Ataf selber hielt die Rede. Da haben sie PutPut zum Ehrenhühnlein der Stadt ernannt und mir an ihrer Statt diese Schärpe überreicht, ich verwahre sie nun für die Kleine. Seitdem verhielten sich in der Stadt plötzlich alle ganz anders: viele grüssten mich höflich, keiner lästerte mehr und manche hatten sogar etwas Angst in ihrem Blick, wenn sie von PutPut ins Auge gefasst wurden.

Wie sich doch Meinungen ändern können..."
:blinzel:
 
Ein anderer Abschied (ein denkwürdiger Tag im Stadtrat zu Trinsic)

Leya sagte: „Damit ist mit fünf Ja-Stimmen, einer Nein-Stimme und einer Enthaltung beschlossen worden, die Forderungen von Fürst Malagar Filligar zu erfüllen. Ich bereite ein Entschuldigungsschreiben des Stadtrats vor. Wir werden das alle unterschreiben und zu dem Treffen mit Malagar Filligar mitnehmen. Ich weise die Schatzkammer der Stadt an, vier Bankwechsel in Höhe von jeweils 3.000.000 auszustellen. Alrik, du kümmerst dich unverzüglich um die Wiedereröffnung der Botschaft des Fürsten, bitte.“
Ich nickte.
Leya seufzte: „Damit haben wir es mit den Worten meines Kollegen Darc hinter uns gebracht. Wulf?“ Leya stutzte, denn Wulf war langsam aufgestanden und stützte sich schwer auf die Lehne seines Stuhls.
Er blickte uns einzeln der Reihe nach an. Als er zu mir sah, schauderte mir. Irgendetwas ging hier furchtbar schief. Ich blickte zu Alia. Sie sah ebenso besorgt aus.
Wulf sprach leise: „Das ist nicht das Trinsic, wie ich … es mir immer erträumt hatte. Ich … verlasse die Stadt und werde woanders etwas Neues aufbauen. Macht hier weiter, wie ihr wollt. Ich gebe mein Amt des Stadtrats und die Führung der Garde ab.“ Er schmiss das Barett, das Abzeichen des Hauptmanns der Garde, auf den Tisch und ging Richtung Tür.
Leya rief ihm nach: „Wulf, so geht das nicht. Formal muss eine Abstimmung durchgeführt werden, wenn du dein Amt niederlegen willst.“
Wulf sah zornig zu Leya. „Ich möchte den sehen, der mich daran hindern will. Langweile mich nicht mit deinen vertrockneten Paragrafen.“
Bevor Leya antworten konnte, stand Anselm auf, sagte leise: „Ich gehe mit Wulf. Es ist zu Ende!“ und marschierte zur Tür.
Darc explodierte förmlich. Er sprang auf und schrie Wulf und Anselm hinterher. „DAS IST FAHNENFLUCHT! Wir haben ein Ziel, wir haben eine Vision von Trinsic. Und ihr beide lasst uns mit diesen zwielichtigen Typen allein.“ Dabei blickte er mich an. „Ich fordere dich bei DEINER EHRE AUF, zu bleiben, Wulf von Trinsic. Templer Tarl und ich, wir brauchen dich!“
Wulf blickte müde von der Tür zurück zu Darc. „Mach, was du willst. Du kannst die Garde haben, Darc. Vielleicht hilft sie dir, deinen Kleinkrieg mit Alrik zu gewinnen.“
Darc fegte alle seine Papiere samt dem Becher Wein vom Tisch. Seine Stimme überschlug sich vor Zorn und Wut, als er brüllte: „ICH HABE DIESEN KRIEG AUCH FÜR DICH GEFÜHRT! So dankst du mir all die Mühen? Dann verschwinde endlich. Ich lege keinen Wert auf die Garde. Ich, … ich hab die Nase endgültig voll. ICH HAU AB! ICH TRETE SOFORT ZURÜCK!“
Wulf war bereits zur Tür hinaus. Anselm folgte ihm. Und Darc eilte den beiden im Sturmschritt hinterher. Wir anderen saßen wie vom Donner gerührt auf unseren Stühlen.
Die Erste, die ihre Stimme wiederfand, war Leya. „Meine werten Kollegen. Dieser Bruch im Rat zeigt mir, dass wir vieles falsch gemacht haben in den letzten Jahren. Ich selbst habe Schuld für dieses Scheitern auf mich geladen und … verlasse ebenfalls den Rat. Bitte verzeiht mir, dass ich wie die anderen keine Abstimmung abwarte“, sagte sie mit Tränen in den Augen. „Das ertrage ich nicht mehr.“ Sie sprang auf, rannte ebenfalls aus dem Ratszimmer und warf die Tür donnernd hinter sich zu.
Dann waren wir drei allein. Stille senkte sich über das Ratszimmer. Sieben Stühle standen da, vier waren nun leer. Was für ein Scheitern, was für ein Desaster. Wir alle blickten starr vor uns auf den Tisch, auf den Boden oder an die Wand. Die Zeit schien stillzustehen in unserer Runde. Ich war nun der letzte der vor acht Jahren gewählten Stadträte und hielt es für notwendig, etwas zu sagen, um die Stille zu durchbrechen, um den quälenden Stillstand zu überwinden. Unter Mühen presste ich hervor: „Ich werde mein Amt weiterführen.“
Templer Tarl blickte traurig zu mir herüber und sprach. „Mein Leben gehört dieser Stadt. Ich werde dieses Amt nicht aufgeben, solang ich atme.“
Alia ergriff das Wort, tränenerstickt: „In dieser schweren Stunde braucht Trinsic jeden von uns. Wir sehen das katastrophale Ende des Stadtrats. Und ich weiß nicht, ob die Stadt diese Zerreißprobe überstehen kann. Ich fürchte um die weitere Existenz dieses Rats und Trinsics, wie wir es aufgebaut haben, und werde meine Kräfte zur Verfügung stellen, um das Chaos, das vor uns liegt, zu überwinden. Aber zu welchem Ziel uns das führen wird, … ich weiß es nicht.“
Um die Mittagszeit brach heillose Verwirrung in Trinsic aus.
 
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