Mac Mahon
Schüler
Der Teufel des Meeres (Die Legende von Davy Jones)
Der Abend hatte sich über den Hafen von Serpent’s Hold gelegt und ließ die nächste schwüle Sommernacht erahnen. Das Treiben am Hafen hatte nun ein wenig nachgelassen und Platz für die verliebten Paare gemacht, die eng umschlungen nun gemächlichen Schrittes an der Hafenkante entlang flanierten. Die Geräusche fröhlicher Seemänner aus der nahen Taverne am Hafen waren verstummt, als die kraftvolle Stimme eines Barden ein Lied angestimmte, das noch über die Straße hinweg zu einem kleinen Haus mit Balkon zu hören war, auf dem in der nun einbrechenden Dunkelheit ein Mann saß.
*Some say he steers a spectral ship
That's ghostly, grey, and grand
He's doomed to sail the seven seas
And ne’er set foot on land
And if you chance to see him
You'll soon be dead from fright
So sailors tell their children
On a dark and stormy night
Oh Forty fathoms** deep he walks
With rusty keys his locker locks
Just like he's half asleep he stalks
Forty fathoms deep
Forty fathoms deep he owns
Each sleeping sailor's soggy bones
The legend they call Davy Jones
At forty fathoms deep
Erst vor wenigen Tagen hatte man ihn an Land gebracht, auf diese Inselfestung mitten in der Sosarischen See – mehr tot als lebendig. Ein kleines Handelsschiff hatte die Wrackteile der „Ricochet“ entdeckt und war ihnen solange gefolgt, bis sie ihn gefunden hatten – völlig ausgemergelt und verbrannt von der erbarmungslosen Sonne. Für ihn, den Schiffbrüchigen war es nur ein Wunder, das ihm die Einsamkeit auf dem Meer nicht den Verstand geraubt hatte. Für ihn, Mac Mahon, den alle nur Jacaran nannten, waren diese einsamen Tage vielmehr das Wertvollste, was er bislang in seinem Leben erfahren hatte.
Vor einigen Wochen hatte er als Bootsmann auf der „Ricochet“ angeheuert, ein Versorgungschiff, das von Vesper aus regelmäßig die kleineren Inseln dieser Welt angelaufen war und die Menschen mit dem Nötigsten versorgte. Die Fahrt war auch ruhig verlaufen, bis sie dann kurz vor der sicheren Einkehr in den Hafen von Trinsic auf der offenen See in einen schweren Sturm geraten waren. Einer jener Stürme, in denen ein Schiff, sein Kapitän und seine Mannschaft keine Chance haben. Kapitän Henry Russel hatte in jener Nacht aufgegeben. Alles. Und Alle. Er hatte kapituliert.
Nor east we sail to Brimstone head
The captain, crew, and I
At sixteen knots we fairly flew
Beneath a darkening sky
A top the main mast I rode
Near ten stories high
Went up there blew an icy squall
And overboard went I
Oh Forty fathoms deep he walks
With rusty keys his locker lock
Just like he's half asleep he stalks
Forty fathoms deep
Forty fathoms deep he owns
Each sleeping sailor's soggy bones
The legend they call Davy Jones
At forty fathoms deep
Jeder, der dem Tod ins Gesicht schaut, kapituliert irgendwann. Er verschont nur wenige, nur um dann weiter sein böses Spiel zu treiben. Mac kannte seinen Namen nur zu gut – wie oft hatten ihn die Männer, denen er als Bootsmann vorstand, schon genannt. Davy Jones war kein Name, der von den Piraten kam - nein, alle Seefahrer nannten ihn so. Davy Jones stand für den unvorstellbaren nassen Tod auf See. So war das. Das machte es vorstellbarer für einen. Davy Jones war der böse Geist des Meeres, der auf dem Grund der See auf seiner Kiste saß und auf die ertrunkenen Seeleute wartete, die in den nassen Fluten umkamen. Wo sie ihr Grab und ihre nassen Knochen die letzte Ruhe fanden. Und wo die allerbösesten unter ihnen in Davy’s Kiste verschlossen wurden, so dass ihre Seelen keine Ruhe mehr fanden. Bis in alle Ewigkeit.
Aus einer fernen Vergangenheit hörte Mac die Stimme seines Vaters. Natürlich hatte Patrice Mahon auch versucht, ihm mit den alten Geschichten Angst zu machen. Man macht seinem Kind Angst, weil man nicht will, dass es etwas tut, was man als Vater nicht will. Man erzählt ihm Schauermärchen. Sein Vater konnte das gut, aber Mac hatte trotzdem gemacht, was sein Vater nicht wollte. Er war zu See gegangen – mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergaben.
I hold my breath I say a prayer
For all those mates who died
I turn my back on Davy Jones
And cast my fears aside
Raise up my head and kick my feet
And toward the light I go
The heartless jailer left behind
The locker far below
In jener Nacht war er dort. Der Teufel des Meeres, der über all die bösen Geister der Tiefe herrschte. Seine Macht hatte er gut demonstriert. Mit voller Wucht.
Er kam mit dem Sturm und ging auch dann. Niemand hatte sagen können, warum er ausgerechnet an diesem Tag erschien, um mit seiner Kiste in See zu stechen. Dort oben in der Takelage saß ein monsterhaftes Wesen, das alles verlachte und sich drüber freute, wie die aufgewühlte See ihr Werk tat. So lange, bis die „Ricochet“ gesunken war. Und alle ertrunken waren – bis auf einen einzigen Mann. Bis auf ihn.
Oh Forty fathoms deep he walks
With rusty keys his locker lock
Just like he's half asleep he stalks
Forty fathoms deep he owns
Each sleeping sailor's soggy bones
The legend they call Davy Jones
At forty fathoms deep
Die Stimme des Sängers hallte noch ein wenig nach. Für einen Moment nahmen die Geräusche auf der Straße unten zu, als die Gäste der Taverne sich bald drauf verabschiedeten und jeder seines Wegs nach Hause ging. Bald war nur noch das leise Platschen der Wellen zu hören, die an die Mole schlugen. Ein laues Lüftchen wehte vom Meer hinüber und brachte etwas Abkühlung.
Mac blieb noch eine Weile auf dem Balkon und genoss die nun eingekehrte Stille der Nacht. An Schlaf war nicht zu denken in dieser schwülen Nacht. Sein Magen verkrampfte sich etwas, und das lag nicht nur daran, das er einige Tage schon nichts richtiges essen hatte können, nur Haferbrei. Sein Blick fiel auf den kleinen Tisch im Inneren seines Zimmers. Dort hatte irgendjemand auch eine Kerze, Papier und Tinte hingestellt, vermutlich, um sich Notizen über das Fortschreiten seines Gesundheitszustandes zu machen. Mac dachte nach. Es war auch keine schlechte Idee, für sich selbst die Erlebnisse der letzten Tage aufzuschreiben.
Wenn es sowas wie ein Schicksal gab, was hatte es dann noch mit ihm vor? Mac wusste es in diesem Moment nicht zu sagen. Es würde sicher noch eine Untersuchung der königlichen Marine über den Untergang der „Ricochet“ geben. Aber nun saß er auf Serpent’s Hold fest. Auf dieser Inselfestung mitten im Meer. Bis sie ihn nach Britain holen würden, hatte er noch einige Tage Zeit, gesund zu werden und seine Erlebnisse zu verarbeiten.
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* The Legend of Davy Jones by David Jeremiah 2006
** 1 Fathom = 1 Faden = 6 Fuß = 1,828 m
Der Abend hatte sich über den Hafen von Serpent’s Hold gelegt und ließ die nächste schwüle Sommernacht erahnen. Das Treiben am Hafen hatte nun ein wenig nachgelassen und Platz für die verliebten Paare gemacht, die eng umschlungen nun gemächlichen Schrittes an der Hafenkante entlang flanierten. Die Geräusche fröhlicher Seemänner aus der nahen Taverne am Hafen waren verstummt, als die kraftvolle Stimme eines Barden ein Lied angestimmte, das noch über die Straße hinweg zu einem kleinen Haus mit Balkon zu hören war, auf dem in der nun einbrechenden Dunkelheit ein Mann saß.
*Some say he steers a spectral ship
That's ghostly, grey, and grand
He's doomed to sail the seven seas
And ne’er set foot on land
And if you chance to see him
You'll soon be dead from fright
So sailors tell their children
On a dark and stormy night
Oh Forty fathoms** deep he walks
With rusty keys his locker locks
Just like he's half asleep he stalks
Forty fathoms deep
Forty fathoms deep he owns
Each sleeping sailor's soggy bones
The legend they call Davy Jones
At forty fathoms deep
Erst vor wenigen Tagen hatte man ihn an Land gebracht, auf diese Inselfestung mitten in der Sosarischen See – mehr tot als lebendig. Ein kleines Handelsschiff hatte die Wrackteile der „Ricochet“ entdeckt und war ihnen solange gefolgt, bis sie ihn gefunden hatten – völlig ausgemergelt und verbrannt von der erbarmungslosen Sonne. Für ihn, den Schiffbrüchigen war es nur ein Wunder, das ihm die Einsamkeit auf dem Meer nicht den Verstand geraubt hatte. Für ihn, Mac Mahon, den alle nur Jacaran nannten, waren diese einsamen Tage vielmehr das Wertvollste, was er bislang in seinem Leben erfahren hatte.
Vor einigen Wochen hatte er als Bootsmann auf der „Ricochet“ angeheuert, ein Versorgungschiff, das von Vesper aus regelmäßig die kleineren Inseln dieser Welt angelaufen war und die Menschen mit dem Nötigsten versorgte. Die Fahrt war auch ruhig verlaufen, bis sie dann kurz vor der sicheren Einkehr in den Hafen von Trinsic auf der offenen See in einen schweren Sturm geraten waren. Einer jener Stürme, in denen ein Schiff, sein Kapitän und seine Mannschaft keine Chance haben. Kapitän Henry Russel hatte in jener Nacht aufgegeben. Alles. Und Alle. Er hatte kapituliert.
Nor east we sail to Brimstone head
The captain, crew, and I
At sixteen knots we fairly flew
Beneath a darkening sky
A top the main mast I rode
Near ten stories high
Went up there blew an icy squall
And overboard went I
Oh Forty fathoms deep he walks
With rusty keys his locker lock
Just like he's half asleep he stalks
Forty fathoms deep
Forty fathoms deep he owns
Each sleeping sailor's soggy bones
The legend they call Davy Jones
At forty fathoms deep
Jeder, der dem Tod ins Gesicht schaut, kapituliert irgendwann. Er verschont nur wenige, nur um dann weiter sein böses Spiel zu treiben. Mac kannte seinen Namen nur zu gut – wie oft hatten ihn die Männer, denen er als Bootsmann vorstand, schon genannt. Davy Jones war kein Name, der von den Piraten kam - nein, alle Seefahrer nannten ihn so. Davy Jones stand für den unvorstellbaren nassen Tod auf See. So war das. Das machte es vorstellbarer für einen. Davy Jones war der böse Geist des Meeres, der auf dem Grund der See auf seiner Kiste saß und auf die ertrunkenen Seeleute wartete, die in den nassen Fluten umkamen. Wo sie ihr Grab und ihre nassen Knochen die letzte Ruhe fanden. Und wo die allerbösesten unter ihnen in Davy’s Kiste verschlossen wurden, so dass ihre Seelen keine Ruhe mehr fanden. Bis in alle Ewigkeit.
Aus einer fernen Vergangenheit hörte Mac die Stimme seines Vaters. Natürlich hatte Patrice Mahon auch versucht, ihm mit den alten Geschichten Angst zu machen. Man macht seinem Kind Angst, weil man nicht will, dass es etwas tut, was man als Vater nicht will. Man erzählt ihm Schauermärchen. Sein Vater konnte das gut, aber Mac hatte trotzdem gemacht, was sein Vater nicht wollte. Er war zu See gegangen – mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergaben.
I hold my breath I say a prayer
For all those mates who died
I turn my back on Davy Jones
And cast my fears aside
Raise up my head and kick my feet
And toward the light I go
The heartless jailer left behind
The locker far below
In jener Nacht war er dort. Der Teufel des Meeres, der über all die bösen Geister der Tiefe herrschte. Seine Macht hatte er gut demonstriert. Mit voller Wucht.
Er kam mit dem Sturm und ging auch dann. Niemand hatte sagen können, warum er ausgerechnet an diesem Tag erschien, um mit seiner Kiste in See zu stechen. Dort oben in der Takelage saß ein monsterhaftes Wesen, das alles verlachte und sich drüber freute, wie die aufgewühlte See ihr Werk tat. So lange, bis die „Ricochet“ gesunken war. Und alle ertrunken waren – bis auf einen einzigen Mann. Bis auf ihn.
Oh Forty fathoms deep he walks
With rusty keys his locker lock
Just like he's half asleep he stalks
Forty fathoms deep he owns
Each sleeping sailor's soggy bones
The legend they call Davy Jones
At forty fathoms deep
Die Stimme des Sängers hallte noch ein wenig nach. Für einen Moment nahmen die Geräusche auf der Straße unten zu, als die Gäste der Taverne sich bald drauf verabschiedeten und jeder seines Wegs nach Hause ging. Bald war nur noch das leise Platschen der Wellen zu hören, die an die Mole schlugen. Ein laues Lüftchen wehte vom Meer hinüber und brachte etwas Abkühlung.
Mac blieb noch eine Weile auf dem Balkon und genoss die nun eingekehrte Stille der Nacht. An Schlaf war nicht zu denken in dieser schwülen Nacht. Sein Magen verkrampfte sich etwas, und das lag nicht nur daran, das er einige Tage schon nichts richtiges essen hatte können, nur Haferbrei. Sein Blick fiel auf den kleinen Tisch im Inneren seines Zimmers. Dort hatte irgendjemand auch eine Kerze, Papier und Tinte hingestellt, vermutlich, um sich Notizen über das Fortschreiten seines Gesundheitszustandes zu machen. Mac dachte nach. Es war auch keine schlechte Idee, für sich selbst die Erlebnisse der letzten Tage aufzuschreiben.
Wenn es sowas wie ein Schicksal gab, was hatte es dann noch mit ihm vor? Mac wusste es in diesem Moment nicht zu sagen. Es würde sicher noch eine Untersuchung der königlichen Marine über den Untergang der „Ricochet“ geben. Aber nun saß er auf Serpent’s Hold fest. Auf dieser Inselfestung mitten im Meer. Bis sie ihn nach Britain holen würden, hatte er noch einige Tage Zeit, gesund zu werden und seine Erlebnisse zu verarbeiten.
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* The Legend of Davy Jones by David Jeremiah 2006
** 1 Fathom = 1 Faden = 6 Fuß = 1,828 m
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